Ein Hirnschlag kann jeden treffen, jederzeit. In der Schweiz ist der Hirnschlag die dritthäufigste Todesursache und die häufigste Ursache einer erworbenen Behinderung. Ein Hirnschlag (oder auch Schlaganfall, Insult, Apoplexie) ist ein dramatisches Ereignis – für die Betroffenen und auch ihre Angehörigen. Innert Minuten wird jemand, der zuvor gesund und vital war, schwer krank. Die Folgen des Hirnschlags, wie etwa Lähmungen, Sprachstörungen oder reaktive Depressionen, verändern die gesamte Lebenssituation vieler Patienten und Angehöriger radikal.
In den ersten Stunden und Tagen nach dem Hirnschlag dreht sich alles um die optimale medizinische Versorgung. Doch schon bald stellen sich Patientinnen und Patienten sowie Angehörige Fragen, die über die aktuelle Situation im Spital hinausgehen: Werde ich wieder ganz gesund? Muss ich fortan mit einer Behinderung leben? Kann ich wieder nach Hause? Wie geht es weiter?
Wir möchten Ihnen aufzeigen, was nach einem Hirnschlag geschieht und wie sich die Rückkehr in den Alltag gestaltet. Sie erfahren unter anderem, welche Fachkräfte Sie dabei begleiten, welche Hilfsmittel Ihnen zur Verfügung stehen und wo Sie Beratung, Hilfe und Unterstützung erhalten können.
Dieser Artikel wird einige, aber nicht alle Ihre Fragen beantworten. Sie finden deshalb am Schluss Adressen von Hilfsorganisationen und Auskunftsstellen, die Ihnen bei Fragen und Schwierigkeiten weiterhelfen können. Sie können und sollten Probleme auch mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Scheuen Sie sich nicht, Fragen zu stellen und Auskünfte zu verlangen. Haben Sie Mut, den Lebensabschnitt nach dem Hirnschlag aktiv anzugehen. Das Leben ist auch nach dem Hirnschlag lebenswert. Wie Ihr Leben aussieht, hängt nicht nur von der Art Ihrer Krankheit ab. Mit einer positiven Einstellung, Wille und Ausdauer können Sie viel dazu beitragen, verlorene Körperfunktionen wiederzugewinnen und den Alltag positiv zu gestalten.
vitalibera wünscht Ihnen von Herzen eine gute Genesung und Erholung
Sie haben einen Hirnschlag erlitten. Dieses Ereignis wird Spuren in Ihrem Leben hinterlassen. Sie und Ihre Angehörigen werden sich fragen, wie dies geschehen konnte, welche Massnahmen nach der Einlieferung ins Spital ergriffen wurden und was weiter geschehen wird. Wie es zum Hirnschlag kommt? Das Gehirn steuert und überwacht alle Funktionen des Körpers. Dazu benötigt es grosse Mengen Energie, die in Form von Zucker und Sauerstoff mit dem Blut zugeführt werden. Das Gehirn kann Energie kaum speichern, deshalb ist es auf eine dauernde Blutzufuhr angewiesen. Wird diese infolge eines Hirnschlags unterbrochen, sterben die Gehirnzellen innert weniger Minuten ab.
Jeder Abschnitt des Gehirns hat eine bestimmte Aufgabe. Wird ein Teil des Gehirns verletzt, so fallen die Funktionen aus, die durch diesen Teil gesteuert werden. Fallen die Gehirnzellen in der motorischen Hirnrinde aus, so kommt es zu Lähmungen und beispielsweise zu einer Gehbehinderung. Sind Gehirnzellen der Sehrinde geschädigt, kann dies zu Sehstörungen führen. Ist das Sprachzentrum betroffen, treten Sprach- und Sprechstörungen auf.
Drei verschiedene Hirnschlag-Formen
• Beim ischämischen Hirninfarkt verstopft ein Blutgerinnsel ein Blutgefäss. Die Hirnregionen, die durch dieses Blutgefäss versorgt werden, erhalten nicht mehr genügend Sauerstoff und sterben ab. Ein solches Blutgerinnsel entsteht entweder direkt im Blutgefäss (Thrombose) oder es wird mit dem Blut aus dem Herzen, der Hauptschlagader oder einer Halsarterie ins Gehirn geschwemmt (Embolie). Häufige Ursache dafür ist das Vorhofflimmern. Weil bei dieser häufigsten Herzrhythmusstörung der Blutfluss im Vorhof des Herzens stark verlangsamt ist, kann sich ein Blutgerinnsel bilden, das in die Hirngefässe gespült wird. 80 bis 85 Prozent aller Hirnschläge sind auf einen ischämischen Hirninfarkt zurückzuführen.
• Bei einer Hirnblutung platzt ein Blutgefäss. Das Blut ergiesst sich ins Hirngewebe und schädigt die Gehirnzellen. Etwa 10 Prozent aller Hirnschläge werden durch eine Hirnblutung ausgelöst. Eine Sonderform der Hirnblutung ist die so genannte Subarachnoidalblutung. Dabei platzt ein Blutgefäss im Bereich der Hirnhäute. Das Blut fliesst nicht ins Gehirn, sondern unter die weichen Hirnhäute. Subarachnoidalblutungen sind für rund fünf Prozent aller Hirnschläge verantwortlich.
Diagnose eines Hirnschlags
Bei Verdacht auf Hirnschlag wird zunächst nach typischen Hirnschlagsymptomen wie Bewusstseinsstörungen, Lähmungen oder Schwierigkeiten beim Sprechen gesucht. Angehörige oder andere Personen werden nach ihren Beobachtungen gefragt. Bei kritischem Zustand werden vorerst lebenserhaltende Massnahmen getroffen, insbesondere die Atmung sichergestellt und der Kreislauf stabilisiert. Als Nächstes muss festgestellt werden, ob der Hirnschlag durch einen ischämischen Hirninfarkt oder eine Hirnblutung verursacht wurde. In dieser Phase kommen verschiedene Diagnosemethoden zum Einsatz:
• Computertomografie (CT) / Magnetresonanztomo- grafie (MRI): Schichtaufnahmen des Gehirns und der Hirngefässe
• Ultraschall / Dopplersonografie: Untersuchung des Blutflusses in den Gefässen und im Herz
• Angiografie: Darstellung der Blutgefässe im Gehirn
• Elektrokardiogramm (EKG): Aufzeichnung der Herz aktivität
• Langzeit-EKG: Aufzeichnung des Herzrhythmus über längere Zeit
• Röntgenaufnahmen, zum Beispiel vom Brustkorb
• Laboruntersuchungen, zum Beispiel der Blut-, Nieren- und Leberwerte
Akutbehandlung des Hirnschlags
Bei einem ischämischen Hirnschlag steht als Behandlungsmöglichkeit die Thrombolyse zur Verfügung. Dabei werden Medikamente, die das Blutgerinnsel auflösen und den Blutfluss wieder in Gang setzen können, direkt in die Blutbahn gespritzt. Bei einer erfolgreichen Thrombolyse können sich Lähmungen und andere Folgen des Hirnschlags grösstenteils zurückbilden. Im besten Fall verschwinden sie ganz. Allerdings kann eine Thrombolyse nur wirken, wenn sie innerhalb von wenigen Stunden nach Symptombeginn angewendet wird.
Nach 4 1/2 Stunden ist eine solche Behandlung nur noch in ausgewählten Fällen möglich. Bei grösseren Gefässverschlüssen können auch so genannte mechanische (endovaskuläre) Behandlungen sehr wirksam sein. Dabei wird ein Kathether ins betroffene Gefäss eingeführt und das Gerinnsel so aufgelöst. Leider gelangen immer noch viele Patienten zu spät ins Spital und können von der Thrombolyse nicht profitieren.
Die Schweizerische Herzstiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bevölkerung immer wieder über die Alarmsymptome und das rasche Reagieren bei Verdacht auf einen Hirnschlag aufzuklären. Schon während der ersten Tage werden Massnahmen ergriffen, um die Gefahr für einen zweiten Hirnschlag oder andere Komplikationen wie eine Lungenentzündung zu bannen. In erster Linie heisst das, die Kreislaufparameter optimal einzustellen (Blutdruck-, Blutzucker-, Blutfettwerte, Sauerstoffgehalt) und nach den Ursachen des Hirnschlags zu suchen. Auslöser eines Hirnschlags können beispielsweise eine Herzrhythmusstörung (Vorhofflimmern) oder Ablagerungen an den Halsschlagadern (Carotis) sein. Spezielle Medikamente verhindern das Verklumpen der Blutplättchen oder hemmen die Blutgerinnung, damit sich nicht noch einmal ein Blutgerinnsel bildet. Bereits in dieser Phase beginnen ausserdem Rehabilitationsmassnahmen wie Physio- oder Sprachtherapie.
Auch wenn Sie nach einem Hirnschlag rasch ins Spital gebracht werden, ist dies leider keine Garantie für eine rasche und vollständige Heilung. Nach dem Spitalaufenthalt folgt deshalb meistens die Phase der Rehabilitation. Ziel ist es, dass Sie sich möglichst dauerhaft wieder in Familie, Gesellschaft und Arbeitswelt eingliedern können. Für Sie als Hirnschlagpatient heisst das konkret, dass Sie in der Rehabilitation lernen, ausgefallene Funktionen wieder zu erlernen oder so gut wie möglich zu kompensieren. Ein Programm nach Mass Die Rehabilitation beginnt bereits im Spital. Im Anschluss daran folgt, falls nötig, ein Aufenthalt in einer spezialisierten Rehabilitationsklinik.
In der Rehabilitationsklinik stellen die Betreuenden einen Therapieplan zusammen, der individuell auf Sie zugeschnitten ist. Wie lange Ihr Aufenthalt dauern wird, lässt sich kaum voraussagen. Je nach Gesundheitszustand und Schwere des Hirnschlags kann die Rehabili tation Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern. Wichtig dabei ist, dass Sie und Ihre Angehörigen Geduld bewahren und immer wieder üben, üben, üben. Denn auch wenn es nach dem Hirnschlag nur langsam aufwärts geht – Verbesserungen der gestörten Funktionen sind immer möglich.
Mögliche Folgen eines Hirnschlags
- Lähmungen: Lähmung eines Arms oder Beins, einer ganzen Körperhälfte (Hemiparese) oder einer Hälfte des Gesichts (Fazialisparese).
- Gehbehinderung: Die Gehfähigkeit ist wegen Lähmungen, einer erhöhten Muskelspannung (Spastik) oder auch Gefühlsstörungen beeinträchtigt.
- Gefühlsstörungen: Störung des Temperatur- oder Berührungsempfindens, meistens auf der gelähmten Körperseite.
- Sehstörungen: Doppelbilder oder Gesichtsfeldausfälle und selten Abnahme der Sehschärfe. Am häufigsten ist die Hemianopsie, bei der eine Hälfte des Gesichtsfelds nicht mehr wahrgenommen wird. •
- Sprachstörungen (Aphasie): Aufgrund einer Schädigung des Sprachzentrums im Gehirn haben die Betroffenen Mühe, Gesprochenes zu verstehen (sensorische Aphasie), selbst zu sprechen (motorische Aphasie) oder beides (globale Aphasie).
- Sprech- und Schluckstörungen (Dysarthrie): Infolge von Lähmungen im Bereich von Mund, Rachen oder Zunge sind Kau- und Schluckfunktion gestört. Meistens bestehen auch Schwierigkeiten beim Sprechen.
- Wahrnehmungsstörungen: Die Betroffenen können, obwohl sie sehen und hören, Eindrücke nicht richtig deuten und einordnen. Dies führt beispielsweise dazu, dass sie sich in vertrauter Umgebung nicht zurecht- finden oder bekannte Personen nicht mehr erkennen.
- Apraxie: Bestimmte Bewegungen oder Handlungen können nicht mehr ausgeführt werden, obwohl keine Lähmung besteht. Zum Beispiel werden Werkzeuge nicht sinnvoll eingesetzt.
- Veränderungen der Emotionen: Die Hirnschädigung kann zu einer Veränderung der Stimmungslage führen, beispielsweise zu Anpassungsstörungen wie Depressionen oder Ängsten, aber auch zu aggressiven, gereizten Reaktionen.
- Gedächtnisstörungen: Gedächtnislücken (Amnesie) oder Verlust der Erinnerungsfähigkeit, nach mehreren Hirnschlägen auch Demenz.
- Müdigkeit: Viele Patienten klagen auch über vermehrte Müdigkeit, mangelnde Energie und Antriebslosigkeit.
In der Rehabilitation werden Sie nach Ihren Bedürfnissen betreut. Sind Ihre sprachlichen Fähigkeiten beeinträchtigt, erhalten Sie Sprachtherapie, bei Bewegungsstörungen Physio- oder Ergotherapie. Auch Funktionen, die noch intakt sind, werden gezielt gefördert. Für diese umfassende Betreuung arbeitet ein ganzes Team von Fachleuten mit Ihnen und Ihren Angehörigen zusammen. Ärztliche Betreuung: An der medizinischen Versorgung sind verschiedene Fachärzte beteiligt, zum Beispiel Neurologen und Internisten. Die Ärzte überwachen Ihren Gesundheitszustand, koordinieren die verschiedenen Therapien und behandeln allfällige Risikofaktoren und weitere Krankheiten.
Pflege: Das Pflegeteam kümmert sich darum, dass Sie fachgerecht gepflegt werden. Krankenpflegerinnen helfen Ihnen – je nach Behinderung – beim Anziehen, bei der Körperpflege und beim Essen. Dabei wird darauf geachtet, dass Ihre Selbständigkeit gefördert wird. Das Pflegepersonal führt auch die vom Arzt verschriebenen medizinischen Massnahmen aus, zum Beispiel die Gabe von Medikamenten, Infusionen und Spritzen.
Physiotherapie: In der Physiotherapie trainieren Sie sensible und motorische Fähigkeiten. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie von Lähmungen oder anderen Bewegungsstörungen betroffen sind. Beispielsweise lernen Sie richtige Bewegungsmuster, damit Sie trotz Halbseitenlähmung wieder gehen können.
Ergotherapie: Das Ziel der Ergotherapie ist das Erreichen, Verbessern oder Erhalten grösstmöglicher Selbständigkeit in alltäglichen Verrichtungen wie Körperpflege, Essen, Fortbewegung, Haushalt, Schule, Beruf und Freizeit. Das Umsetzen der wiedererlangten sensomotorischen und kognitiven Funktionen und Fähigkeiten in bedeutungsvollen Alltagshandlungen ist dabei wesentlich.
Logopädie: Die Logopädin behandelt Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen, unter anderem auch eine Aphasie oder Dysarthrie. Das Ziel ist, Ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern, falls diese wegen des Hirnschlags gestört sind. Dazu gehört nicht nur das Sprechen selbst, sondern eben falls das Verstehen von Sprache sowie Lesen und Schreiben. Auch bei Schluckstörungen kann ein Training hilfreich sein.
Neuropsychologie: Vielleicht haben Sie, wie viele Patienten nach einem Hirnschlag, Gedächtnis- und Wahrnehmungsstörungen. Diese werden vom Neuropsychologen mit besonderen Tests abgeklärt. Mit Hilfe von speziellen Übungen lernen Sie, gestörte Funktionen wie Erinnern, Konzentration und Aufmerksamkeit wieder zu trainieren. Mit Rehabilitation zurück ins Leben finden
Kreative Therapien: Kreative Tätigkeiten wie Musizieren, Malen oder Töpfern dienen nicht nur der Freizeitgestaltung. Sie ermöglichen es, neue Fähigkeiten zu entdecken, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen oder sich einfach zu entspannen. Falls Sie eine Sprachstörung haben, können Sie sich mit kreativer Arbeit eventuell besser ausdrücken als mit Worten.
Ernährungsberatung: Eine falsche Ernährung erhöht das Hirnschlagrisiko. Vielleicht ist deshalb eine Ernährungsumstellung angezeigt. Die Ernährungsberaterin analysiert mit Ihnen und Ihren Angehörigen die bisherigen Ernährungsgewohnheiten, informiert über die einzelnen Nährstoffe und Nahrungsmittel, stellt gesunde Menüpläne zusammen und gibt Ihnen Tipps zum Einkaufen und Kochen.
Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie: Nach einem Hirnschlag geraten manche Patienten und Angehörige in eine Krise. Gefühle wie Trauer, Verzweiflung oder Verlust des Selbstwertgefühls können eine schwere Belastung darstellen. Die Psychologin, der Psychiater oder die Psychotherapeutin wird Sie dabei unterstützen, mit diesen Gefühlen umzugehen und sie zu bewältigen.
Sozialberatung: In jeder Rehabilitationsklinik gibt es einen Sozialdienst. Dort können Sie und Ihre Angehörigen sich in sozialen Belangen beraten lassen. Dazu gehören zum Beispiel versicherungstechnische und finanzielle Fragen wie Anmeldung bei der Invalidenversicherung (IV), Kostenübernahme durch die Krankenversicherung, Suche einer rollstuhlgängigen Wohnung etc