Nackenschmerzen nach Schlaganfall

Nackenschmerzen nach einem Schlaganfall können durch verschiedene Ursachen entstehen, darunter eine Schädigung des zentralen Nervensystems (neuropathische Schmerzen), eine Muskelschwäche, die zu Gelenkfehlstellungen führt, oder eine zugrundeliegende Ursache wie eine Halsgefäß-Dissektion. Es ist wichtig, Nackenschmerzen nach einem Schlaganfall ernst zu nehmen und ärztlich abklären zu lassen, da sie auch ein Symptom für eine erneute oder die initiale Durchblutungsstörung im Gehirn sein können. 

Mögliche Ursachen

  • Neuropathische Schmerzen: Schädigungen des Nervengewebes im Gehirn oder Rückenmark können zu neuropathischen Schmerzen führen, die als brennend, stechend oder dumpf beschrieben werden können.
  • Muskelschwäche (Spastizität): Eine nach dem Schlaganfall auftretende Muskelschwäche kann dazu führen, dass Muskeln steif werden oder die Schulter nach unten sackt, was zu Überdehnungen und Schmerzen in Nacken und Schulter führt.
  • Halsgefäß-Dissektion: Eine Dissektion, also eine Einriss der Gefäßwand in der Halsarterie, kann zu Nackenschmerzen führen und ist eine bekannte Ursache für Schlaganfälle, insbesondere bei jüngeren Menschen.
  • Zentrale Schmerzen: Eine Schädigung des Gehirns (insbesondere des Thalamus) kann zu zentralen Schmerzen führen, die oft als brennend oder einschießend beschrieben werden und in der Regel der Schlaganfall-betroffenen Körperhälfte gegenüberliegen. 

Was Sie tun sollten

Physiotherapie: Ein Physiotherapeut kann Ihnen helfen, die Muskulatur zu stärken und die Haltung zu verbessern, um Schmerzen zu lindern und Fehlstellungen zu korrigieren. 

Suchen Sie sofort einen Arzt auf: Nackenschmerzen nach einem Schlaganfall sollten immer ärztlich untersucht werden, um die genaue Ursache festzustellen und eine mögliche erneute Durchblutungsstörung auszuschließen.

Informieren Sie den Arzt: Beschreiben Sie Ihre Schmerzen genau: Wo treten sie auf? Wie fühlen sie sich an (z. B. brennend, stechend, dumpf)? Wann haben sie begonnen?

Seien Sie vorsichtig: Gehen Sie sorgfältig mit der betroffenen Körperhälfte um und vermeiden Sie ruckartige Bewegungen, um das Risiko von Überdehnungen und weiteren Verletzungen zu minimieren.

Wie entstehen Schmerzen nach einem Schlaganfall?

Schmerzwahrnehmung ist eine Leistung des Gehirns. Bestimmte Hirnregionen sind an der Schmerzverarbeitung beteiligt und integrieren die sensorischen sowie affektiven Wahrnehmungsinhalte zum Gesamterlebnis «Schmerz». Was Menschen als schmerzhaft empfinden, ist also aus mehreren Komponenten zusammensetzt:

  • Schmerzlokalisierung
    Man kann Schmerzen in der Regel einem oder mehreren Körperteilen oder -regionen zuordnen.
  • Schmerzqualität
    Man erlebt unterschiedliche Schmerzqualitäten, wie z. B. einen stechenden, ziehenden, scharfen oder brennenden Schmerz.
  • Vegetative Komponente
    Schmerzen gehen mit einer vegetativen Reaktion einher wie Veränderung des Herzschlags, der Atmung oder des Blutdrucks.
  • Affektive Komponente
    Darüber hinaus sind Schmerzen mit einem höchst unangenehmen Gefühl verbunden, das als quälend und leidend empfunden wird und sich von anderen unangenehmen Gefühlen wie Trauer, Angst oder Ärger gefühlsmässig klar unterscheidet.

Alle diese Komponenten werden in unterschiedlichen Bereichen im Gehirn verarbeitet und zum Erlebnis Schmerz zusammengefügt. Die an der Signalverarbeitung beteiligten Strukturen sind unter anderem die Nerven, das Rückenmark, der Thalamus, verschiedene Kerne im Hirnstamm und Hypothalamus, die Amygdala und gewisse Bereiche der Grosshirnrinde. Die an der Schmerzverarbeitung beteiligten Strukturen kann man zusammenfassend als Schmerznetzwerk bezeichnen.

Nach einer Schädigung einer dieser neuronalen Komponenten des Schmerznetzwerks, wie es beispielsweise beim Schlaganfall der Fall sein kann, können chronische Schmerzen auftreten, die man als neuropathische Schmerzen bezeichnet. Bei einer Läsion des Thalamus oder der umliegenden Nervenbahnen wird dieser Schmerz auch als zentraler Schmerz oder Thalamusschmerz bezeichnet  Die genauen Mechanismen auf zellulärer Ebene sind dabei weitgehend unverstanden. Nach Schätzungen entwickeln bis zu 20 % der Patienten nach einem Schlaganfall ein zentrales Schmerzsyndrom.

Wie äussern sich diese zentralen Schmerzen?

Viele Patienten beschreiben die zentralen neuropathischen Schmerzen als brennende Schmerzen. Auch einschiessende oder klopfende Schmerzen sind typisch. In der Regel ist die dem Schlaganfall gegenüberliegende Körperhälfte betroffen – also bei einem Infarkt des linken Thalamus werden Schmerzen in der rechten Körperhälfte empfunden. Obwohl die Schmerzen unmittelbar nach dem Schlaganfall auftreten können, beginnen sie in der Regel wenige Wochen bis Monate nach dem Ereignis.

Zentrale neuropathische Schmerzen. Diese Schmerzen haben einen spezifischen Schmerzcharakter und werden in der Körperhälfte empfunden, die dem Schlaganfall gegenüberliegt
Bild: Universitätsklinik für Neurochirurgie, Inselspital Bern © CC BY-NC 4.0

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie ist die erste Wahl zur Behandlung neuropathischer Schmerzen nach einem Schlaganfall. Typische Schmerzmittel wie Paracetamol, Ibuprofen und Novalgin wirken in der Regel nicht. Zu den eingesetzten Substanzen gehören Gabapentin, Pregabalin oder Carbamazepin sowie Opiate oder Wirkstoffe aus der Gruppe der Antidepressiva. Aufgrund der möglichen Nebenwirkungen sollte die medikamentöse Behandlung von einem erfahrenen Schmerztherapeuten angeordnet und überwacht werden.

Transkutane Nervenstimulation

Eine weitere Therapiemöglichkeit ist die transkutane Nervenstimulation (TENS). Bei der TENS handelt es sich um eine elektromedizinische Reizstromtherapie zur Muskelstimulation und Behandlung von Schmerzen.

Tiefe Hirnstimulation (DBS)

Sprechen die Schmerzen nur unzureichend auf die klassischen Therapien an ist die Tiefe Hirnstimulation (DBS von engl. deep brain stimulation) eine Behandlungsalternative.

Studienlage zur DBS

Zusammenfassend ist die Studienlage zur Wirksamkeit der DBS bei zentralen Schmerzen nach wie vor widersprüchlich. Chronische Schmerzen wurden seit den 1950er Jahren mit der Tiefen Hirnstimulation behandelt 

Pereira EA, Green AL, Aziz TZ. Deep brain stimulation for pain. Handb Clin Neurol. 2013;116:277-294.. Dabei wurden mehrere Zielpunkte im menschlichen Gehirn stimuliert. Allen diesen Zielpunkten gemeinsam ist, dass sie zum Schmerznetzwerk im Gehirn gehören.

Interessanterweise galt in den 1970er Jahren die Tiefe Hirnstimulation damals nur für chronische Schmerzsyndrome als sichere und effektive Therapie – und nicht für Bewegungsstörungen. Heutzutage dagegen machen gerade die Bewegungsstörungen einen Grossteil der Indikationen für die Tiefe Hirnstimulation aus.

Die Therapiewirksamkeit bei chronischen Schmerzen wurde nach Veröffentlichung von zwei grösseren, multizentrischen Studien in den Jahren 1976 und 1990 in Frage gestellt. Diese Studien konnten den gewünschten Effekt einer 50%igen Schmerzverbesserung bei mindestens 50 % der Patienten nicht erreichen 

Allerdings wurden diese Studien von vielen Experten kritisiert. Letztendlich muss man folgern, dass diese Studien den heutigen wissenschaftlichen Standards nicht gerecht werden und deshalb aus unserer Sicht wenig aussagekräftig sind.

Weitere Studien seit den 1990er Jahren veröffentlichten schwankende Erfolgszahlen zwischen 24–83 % 

Marchand S, Kupers RC, Bushnell MC, Duncan GH. Analgesic and placebo effects of thalamic stimulation. Pain. 2003;105:481-488..

Aus unserer eigenen Erfahrung profitieren ca. die Hälfte der Patienten mit zentralen Schmerzen nach Schlaganfall von der DBS. Die Ergebnisse zwischen den jeweiligen Patienten schwanken dabei zwischen 0 und 100% der empfundenen Schmerzintensität. 

Die meisten Studien und auch unsere Erfahrungen zeigen, dass es bei vielen Patienten trotz anfänglich guter Wirksamkeit auf die Schmerzen im Verlauf der Zeit zu einem Wirkungsverlust kommt und die Stimulationseinstellungen mehrfach verändert werden müssen. Da weltweit nur ca. 100 Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen nach Schlaganfall mit der Tiefen Hirnstimulation therapiert wurden, davon 10 bei uns am Inselspital in Bern, kann die tatsächliche Wirksamkeit der DBS bei zentralen Schmerzen nach Schlaganfall zum heutigen Zeitpunkt nicht abschliessend bewertet werden.

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